Was ist dran an der „Milch-Lüge“?
Prof. Armin Zittermann

Prof. Armin Zittermann

Düsseldorf, den 22.07.2014. In letzter Zeit sorgte die aktuelle Presseberichterstattung zum Thema Milch und Osteoporose für Aufregung. In Dokumentationen wie „Die Milch-Lüge“ des NDR wird Milch als wichtiger Kalziumlieferant infrage gestellt. Einige Medien berichteten, Milch sei ungesund und würde Krankheiten wie Diabetes, Asthma und Prostatakrebs begünstigen. Sollte man in Zukunft also besser auf Milch und Milchprodukte verzichten? Prof. Armin Zittermann, Ernährungswissenschaftler und Mitglied unseres wissenschaftlichen Beirats, nimmt Stellung.

Milch und Milchprodukte wie Joghurt, Kefir und Käse werden in Europa sowie in der Region rund um den Kaukasus seit Jahrtausenden als Grundlebensmittel genutzt. Vor allem in Mittel- und Nordeuropa sind die Menschen durch eine Genmutation, die vor einigen tausend Jahren auftrat, in der Lage, den Milchzucker zu spalten und somit Milch ohne Verdauungsprobleme zu vertragen. In einer Zeit, in der Hungersnöte alltäglich waren, stand den Menschen somit ein wichtiger Energie- und Nährstofflieferant zur Verfügung. Da Milch- und Milchprodukte gute Quellen für verschiedene Vitamine, Mineralstoffe und hochwertiges Protein sind, können sie auch heutzutage wesentlich zu einer vollwertigen Ernährung beitragen. Sie sind besonders empfehlenswert für Heranwachsende, aber auch für Senioren.

Indizien für krankheitsfördernde Wirkungen von Milch ergaben sich in der Vergangenheit aufgrund einiger Beobachtungsstudien. Derartige Studien können jedoch lediglich Hinweise auf mögliche Zusammenhänge liefern. Studien, die definitive Beweise für einen ursächlichen Zusammenhang liefern, liegen nicht vor. Die Indizien für ein erhöhtes Prostatakrebsrisiko durch den Verzehr von Milchprodukten sind insgesamt schwach und inkonsistent. Sie rechtfertigen nicht, vor dem Verzehr von Milchprodukten zu warnen. Erwähnenswert ist auch, dass andere Studien eine Reihe von positiven Gesundheitseffekten durch den Verzehr von Milch und Milchprodukten vermuten lassen, wie eine Verminderung des Risikos für Darmkrebs, Übergewicht und Bluthochdruck. Auch das Diabetesrisiko wird durch den Konsum von Milchprodukten – zumindest beim Erwachsenen – möglicherweise eher gesenkt als erhöht. Darüber hinaus kann das Calcium der Milch zum Aufbau und Erhalt von gesunden Knochen beitragen. Allerdings dürfen auch die vermuteten positiven Gesundheitswirkungen nicht überbewertet werden. Milch und Milchprodukte können lediglich ein Bestandteil einer insgesamt gesunden Lebensweise sein.

Kein Lebensmittel, mit Ausnahme der Frauenmilch in den ersten 4 bis 6 Lebensmonaten, ist für den Menschen unverzichtbar. Menschen, die eine Allergie gegenüber Milchprotein aufweisen (weniger als fünf Prozent der Bevölkerung, Diagnose durch den Arzt erforderlich) sollten in der Tat vollständig auf Milch und Milchprodukte verzichten. In einzelnen Fällen haben Patienten mit einer Milchproteinallergie auch über Asthma-Symptome geklagt. Allergien gegenüber Proteinen in Nahrungsmitteln können jedoch auch bei anderen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln auftreten, sind also kein spezifisches Problem des Lebensmittels Milch. Eine Milchzuckerunverträglichkeit wird bei rund 15 Prozent der europäischstämmigen Bevölkerung in Deutschland beobachtet. Bei Migranten kann der Prozentsatz deutlich höher sein. Im Gegensatz zu Patienten mit Milchproteinallergie können Personen mit Milchzuckerunverträglichkeit jedoch bestimmte Milchprodukte wie Joghurt und gereifte Käse in der Regel ohne Probleme vertragen.

Milch ist zwar verzichtbar für die Ernährung des Menschen. Milch und Milchprodukte können jedoch einen wichtigen Baustein für eine vollwertige Ernährung darstellen. Es besteht kein Grund, generell vor dem Verzehr von Milch und Milchprodukten zu warnen.

Pressekontakt:
Dr. Sonja Endres
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: sonja.endres@osteoporose-deutschland.de
Tel.: 0221 – 355 82 73